türkische Start-Ups

Türkische Start-Ups im Aufwind

Lange Zeit war es für türkische Gründer schwierig, finanzielle Unterstützung zu bekommen. Der Unternehmergeist und die Start-up-Branche haben sich jedoch in den letzten Jahren stark gewandelt. Junge Unternehmen bekommen mehr und mehr Unterstützung. Die Branche wächst und es gibt zahlreiche erfolgreiche türkische Start-ups. Viele Start-ups sind international bekannt und locken große Investoren. Mehr als ein Start-up ist zum Einhorn aufgestiegen und hat die Bewertung von einer Milliarde Dollar geknackt. Die türkische Regierung begrüßt diese Entwicklung und unterstützt mit staatlichen Förderprogrammen. Branchen werden neu gedacht und es entstehen viele neue Start-ups.

Rasante Entwicklung des türkischen Start-ups

Seit geraumer Zeit sind Tech-Start-ups aus der Türkei im Aufschwung. Die schwache Lira und gleichzeitig hohe Inflation begünstigen das Wachstum. Im Jahr 2021 hat sich der Markt rasant entwickelt. Allein in der ersten Jahreshälfte wurden 1,4 Milliarden US-Dollar durch Deals in Start-ups investiert. Die meisten Start-ups sind in und um Istanbul angesiedelt. Investoren profitieren von schwachen Fremdwährungen, wenn die eigene Währung stabil bleibt. Für türkische Start-ups sind solche Auslandsinvestitionen besonders lohnend. Umgerechnet in Lira sind diese Investments viel wert. Insbesondere dann, wenn ein Unternehmen im Inland produziert und im Ausland Produkte zu höheren Preisen anbieten kann.

Jeder fünfte Deal erfolgt in Gaming-Start-ups

Im vergangenen Jahr stiegen die Investitionen in der Spielbranche stark an. Fast jeder fünfte Deal entfällt auf ein Gaming-Start-up. Der Verkauf des Start-ups Peak Games sorgte für große Aufmerksamkeit. Das Unternehmen wurde für 1,8 Milliarden US-Dollar an Zynga verkauft.
Start-ups wie Hepsiburada, Getir, Trendyol und Peak Games gelten als Einhörner mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde US-Dollar. Getir gehört zu den größten Start-ups aus der Türkei mit europaweiten Standorten.

Trendyol

Das Start-up Trendyol wurde 2010 in der Türkei gegründet. Heute hat das Start-up mehr als 30 Millionen Kunden und Millionen von täglichen Lieferungen. Trendyol zählt mit einer Bewertung von mehr als 16,5 Milliarden US-Dollar zu den Decacorns und wird damit das erste in der türkischen Start-up-Geschichte.

In der Türkei selbst werden über die Plattform durch Händler Ware angeboten und verkauft. Dieser Ansatz soll langfristig auch in anderen Ländern verfolgt werden. Es gibt eine große Breite an angebotenen Produkten von über 230.000 Händlern. Die schwache Lira macht es Konkurrenten wie Amazon schwer, in der Türkei Umsätze zu erzielen. Dies nutzt Trendyol für sich und verkauft in der Türkei täglich mehr als eine Million Produkte. Trendyol selbst sieht den größten Vorteil in der Beziehung zur türkischen Textilindustrie. Es gibt bereits 300 türkische Lieferanten.

Türkische-Start-ups aus Istanbul

Zuletzt wurde in Berlin das erste internationale Office eröffnet. In Deutschland verkauft das Start-up bislang ausschließlich Mode über Plattformen wie Zalando, About You und über eigene Apps. Geplant sind weitere Offices in London, Luxembourg und Amsterdam. Trendyol rechnet bis zum Jahr 2025 mit Einnahmen von bis zu drei Milliarden Euro. Das Start-up möchte deshalb eine halbe Milliarde US-Dollar in die internationale Expansion investieren.

Das große Vorbild ist die Mode-App Shein. Ähnlich wie Shein analysiert Trendyol die neuesten Modetrends und setzt dies schnell in eigenen Produkten um. Durch ein Lager in Zentraleuropa und Lieferzentrum am Istanbuler Flughafen werden schnelle Transportwege gesichert.

Togg

Der Gründer Mehmet Gürcan Karaka möchte mit seinem Start-up Togg als erster türkische Autobauer Elektroautos bauen. Als ehemaliger Bosch-Manager hat er die Vision, ein Auto zu bauen, das in einer vernetzten, smarten Welt steht. Er selbst sieht das Fahrzeug als Smart Device und nicht nur als reines Fahrzeug an. Auf der Consumer Electronic Show in Las Vegas, USA präsentierte das Unternehmen im Januar 2022 das Fahrzeug.

Seit der Gründung im Jahr 2018 wird am neuen Fahrzeug gebaut. Hinter dem Start-up Togg stehen verschiedene renommierte Unternehmen. Der Plan ist, 2023 in der Türkei die ersten Fahrzeuge zu verkaufen. Ende 2023 soll der erste in Europa produzierte elektrische SUV vom Band rollen. Weiter sind eine Limousine und ein Fließheckmodell im C-Segment in Planung. Der ehemalige Volkswagen Designer Murat Günak arbeitet am Aussehen des Fahrzeuges mit. Die Batterien gibt es mit 200 oder 400 PS Leistung.

In der Nähe von Gemlik in Bursa wurde 2020 mit Bauarbeiten für eine neue Fabrik begonnen. Erste Probefahrzeuge wurden bereits produziert. Bis 2030 sollen eine Million Fahrzeuge vom Band laufen. Die Fahrzeuge werden vor allem über das Internet vertrieben. Togg will dabei auf ein gutes Image und Bekanntheit setzen. Langfristig gesehen will Togg ein komplettes Ökosystem mit Kooperationspartnern aufbauen.

Getir

Start-ups wie Getir haben es sich zum Ziel gesetzt, innerhalb von 10 Minuten Bestellungen auszuliefern. Als Konkurrenz zu Gorillas und Flink liefert das im Jahr 2014 gegründete Unternehmen Lebensmittel aus. Seit 2021 ist Getir auch in Deutschland vertreten. Angeboten werden über 1.500 Produkte. Bestellt werden kann alles über Fleisch, Snacks, Gemüse und Obst, Tiernahrung und Drogerieartikel. Die Artikel sind circa 10 % teurer als im Supermarkt, worüber Getir den Großteil der Gewinne einfährt. In Lagerhäusern werden die Lebensmittel gelagert. Über Kundendaten können individuelle Produktvorschläge und Angebote gemacht werden.

Das Erkennungszeichen von Getir sind die Kuriere auf ihren violetten E-Bikes oder E-Scootern. Das Kundenversprechen innerhalb von 10 Minuten zu liefern kann Getir einhalten. In der Türkei wird seit 2014 geliefert. Vertreten in über 30 Städten wie Istanbul und Ankara hat sich Getir in der Türkei zum Marktführer entwickelt. Neben Lebensmitteln werden seit Kurzem auch Mahlzeiten und Haushaltswaren mit Lieferung als selben Tag angeboten.

Die Gründer Serkan Borancili, Tuncay Tutek, Dogancan Dalyan und Nazim Salur hatten zu Beginn Probleme sich Finanzierungen zu sichern. Im Januar 2020 kam dann der große Durchbruch. Getir schaffte es sich eine 38 Millionen US-Dollar-Finanzierung zu sichern. Im Juni 2021 wurde das Start-up auf einen Wert von 7,5 Milliarden Dollar geschätzt. Spekulationen zufolge soll Gorillas an Getir verkauft werden.

Peak Games

Mit Sitz in Istanbul hat es das Start-up Peak Games zu einer der größten Start-ups der Türkei geschafft. Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 2010 von Sidar Sahin. Ziel war es, Puzzle-Spiele für Android und iOS anzubieten. Im Jahr 2017 verkaufte Peak Games die Sparte mobile Kartenspiele an Zynga für 100 Millionen US-Dollar. Spiele wie Spaded Plus, Gin Rummy Plus und Okey Plus waren im Deal enthalten.

Mit 350 Millionen Nutzern weltweit zählte Peak Games 2018 zu den drei größten europäischen Online-Gaming Unternehmen. Täglich gibt es knapp 12 Millionen aktive Nutzer, Tendenz steigend. Im Jahr 2020 wurde Peak Games für 1,8 Milliarden US-Dollar von Zynga aufgekauft. Das Unternehmen arbeitet mit seinen über 100 Mitarbeitern weiter unabhängig. Peak Games wird als erstes türkisches Einhorn Start-up gesehen.

Dream Games

Gegründet wurde Dream Games im Jahr 2019 in Istanbul. Ehemalige Führungskräfte von Peak Games gründeten Dream Games. Die Vision ist es, Technologie und Kreativität miteinander zu verknüpfen. Das mobile Game Start-up entwickelt Gelegenheitsspiele und Videospiele. Eines der Spiele ist Royal Match, mit über 13 Millionen monatlichen Spielern.
Die letzte Finanzierungsrunde fand im Januar 2022 statt. Insgesamt hat Dream Games über 467,5 Millionen US-Dollar Finanzierung erreicht. Der Wert des Start-ups wird derzeit auf über 2,75 Milliarden US-Dollar geschätzt. Damit gehört Dream Games zu den Einhörnern in der türkischen Start-up-Branche. Zu den Investoren gehören Makers Fund, IVP, Balderton Capital und BlackRock.

Hepsiburada

Das Start-up Hepsiburada wurde 2009 gegründet und ist wie Trendyol im Bereich E-Commerce tätig. Angeboten werden über 50 Millionen Produkte in knapp 40 Kategorien. Gekauft werden können alle möglichen Produkte wie Heimtextilien, Accessoires, Haushaltsgeräte, Elektronik oder auch Flugtickets. Im Jahr 2015 wurde der Marktplatz mit eigenem Logistiknetzwerk gestartet. Dadurch können knapp 65 % der Bestellungen bereits am nächsten Tag ausgeliefert werden.

Ähnlich wie Trendyol, steht Hepsiburada Amazon als globalen Riese gegenüber. Spätestens seit dem Börsengang im Jahr 2021 steht fest, dass Hepsiburada ein ernstzunehmender Konkurrent ist. Als erstes türkisches Unternehmen wurde das Start-up an der New Yorker Technologiebörse Nasdaq aufgenommen. Mit einem Anstieg der Aktien von 12 Prozent nach dem Börsengang, kam das Unternehmen zwischenzeitlich auf einen Marktwert von mehr als 4 Milliarden Euro.

Die Mehrheit der Anteile verbleiben bei der Gründerin Hanzade Doğan und ihrer Familie. Als größter Investor gilt derzeit Franklin Templeton mit knapp 15 Prozent Anteilen. Alle IPO-Einnahmen werden zurück in das Unternehmen gesteckt. Märkte außerhalb der Türkei wie der Nahe Osten, Osteuropa und Nordafrika sind die nächsten Expansionsziele von Hepsiburada.

Modanisa

Für lange Zeit gab es am Markt kein Unternehmen, das speziell muslimische Mode im großen Stil vertrieben hat. Mit Modanisa soll Modest Fashion zugänglich gemacht werden. Islamische Mode ist bei vielen Unternehmen kaum im Angebot. Zwar bieten große Marken wie Nike oder Versace und Burberry Kleidung an, das große Angebot bleibt jedoch aus.

Viele empfinden das Angebot als beschränkt und wünschen sich mehr. Genau hier setzt Modanisa an. Der muslimische Modemarkt wird auf einen Marktwert von 200 Milliarden US-Dollar geschätzt. Das Start-up Modanisa bietet in Kooperation mit 300 Marken und über 20 Designern Modest Fashion an.

Die Gründer Kerim Ture und Lale Tuzun haben im Jahr 2011 Modanisa gegründet. Ziel war es, ein Unternehmen zu gründen, dass muslimischen Frauen moderne Kleidung bietet. Über 80 Prozent der Umsätze werden außerhalb der Türkei eingenommen. Knapp ein Drittel stammt aus Europa, wobei 10 Prozent der Umsätze auf Deutschland entfallen. Hergestellt wird die Kleidung in der Nähe von Istanbul.
Innerhalb von 48 Stunden werden Bestellungen innerhalb Europas verschickt. Über Zalando bietet Modanisa europaweit Kleidung an. Im Jahr 2020 erwirtschaftete das Start-up einen Umsatz von knapp 230 Millionen US-Dollar. Ziel für 2025 ist der Börsengang.

Paycell

Das Start-up Paycell entstand als Tochterunternehmen des türkischen Mobilfunkunternehmens Turkcell. Das Start-up wurde 2018 gestartet und hatte in der Türkei bereits nach kurzer Zeit mehr als 46 Millionen Kunden erreicht. Über die App können Kunden übersichtlich Konten, Versicherungs- und Kreditangebote einsehen. Ähnlich wie bei PayPal können Geldbeträge untereinander verschickt werden. Zudem gibt es ein Buy now, pay later-Angebot. Eingesetzt werden kann Paycell zur Zahlung im Internet.

Mit einem ersten internationalen Office in Stuttgart möchte Paycell in Europa expandieren. Angeboten werden sollen zunächst nur Geldüberweisungs- und Inkassodienste. Nach und nach sollen weitere App-Lösungen dazu kommen. Denkbar sind auch die Integration von Shoppingdiensten, Lieferdiensten oder einem Taxi-Service. Als Unterschied zu bisherigen Anbietern nennt Paycell die günstigen Kostenstrukturen. Als europäischen Kooperationspartner konnte sich Paycell die Solaris-Bank sichern.